UllaOh
Fast alles okay in der Essensausgabe! Bericht aus der Ehrenamtsarbeit im Rathaus Wilmersdorf
Müde, aber zufrieden komme ich von der morgendlichen Essensausgabe im Rathaus Wilmersdorf. Sechs Freiwillige haben allein, d. h. ohne hautamtliche Küchenleitung das Frühstück geschaukelt. Das geht. Erst die Sitzbänke von den Tischen stellen (die Böden sind vom Putzdienst gewischt), dann Brötchen, Obst, Essen bereitstellen, Kaffee und Tee kochen, Zucker und Kakao hinstellen. Ab 8 Uhr kommen die Geflüchteten. Es ist ruhig, kein Tumult, niemand drängelt. Fast jeder räumt seine Reste in den Müll.
Die meisten Menschen sind ernst, beim zweiten Mal, beim Wiedererkennen wird schon mal gelächelt. Die Mutigen probieren erste deutsche Worte. Dankeschön. Messer, Wasser. Mancher kann Englisch und zeigt es. Große Kinderaugen an der Schokolade. Das geht ganz ohne Sprache.
Wir Frauen hinter dem Tresen ärgern uns erneut über das Frühstücksangebot des Caterer. Ein Tablett wie im Flugzeug, nur durchsichtig, Und schon lachen uns wieder zwei rosa Wurstscheiben an. Was soll das? Sind wir hier auf dem Oktoberfest? Sind die meisten Syrer nicht Muslime? Angeblich ist alles halal. Ach so, auch die kleine Leberwurst?! Wir glauben das nicht und die Gäste auch nicht. Viele nehmen erst gar kein Tablett, winken freundlich ab und nehmen nur Brötchen und Nutella. Nicht eine Scheibe Käse auf dem Tablett. Wie wäre es z. B. mit Schafskäse? Der kostet doch nicht viel.
Das aber ist der einzige gravierende Kritikpunkt. Alles andere läuft gut – auch und gerade mit Hilfe der vielen Ehrenamtlichen, die über „Willkommen in Wilmersdorf“ dabei sind. Ich bin begeistert von den vielen jungen Leuten, die mitmachen. Von 18 aufwärts. Es sind ganz viele. Und sie sind auch um 6 Uhr morgens aufgestanden. Sie sind in der Küche, bei der Kinderbetreuung, im Frauenzimmer, in den Klamotten-Sortierabteilungen, sie machen draußen Musik und organisieren alles bestens. Als ich um 11.30 Uhr gehe, checkt sich eine junge Ärztin ein. Ehrenamtlich. Die Rhetorik „keine staatlichen Aufgaben übernehmen..“ kann ich nicht mehr hören. Jetzt ist Not, und wir sind ja auch der Staat.
Ja klar, die Waschmaschinen sind ein Problem und der alte Beamtenbunker ist sanitär stark unterbelichtet. Aber der Laden läuft. Deshalb ärgern mich Artikel wie der im Tagesspiegel, wo Headlines wie „Himmelschreiende Zustände am Fehrbelliner Platz“ und „So kann es nicht weitergehen“ das Geschehen skandalisieren. Das ist doch Wasser auf die Mühlen der Flüchtlingsgegner. Damit wird auch die gute Arbeit der Ehrenamtlichen runtergeredet. Kritik ist richtig und wichtig, aber darf doch nicht untergehen, wie wunderbar unsere Zivilgesellschaft in dieser schwierigen Situation funktioniert.
Beklagt wird laut Tagesspiegel, dass in der Küche nicht gekocht werden kann. Ja, wie soll das denn gehen? Koch/Köchin ist ein Lehrberuf und Großküche ist ein besonderes Kaliber! Wer soll das denn machen? Die sechs Ehrenamtlichen pro Schicht? Bratkartoffeln mit Spiegelei? Oder sollen wir die gespendeten fünf Pakete für Klöße aufbrauchen. Da ist es wieder, das Oktoberfest.
Da schaue ich lieber auf eine schöne Beobachtung: die Security-Männer (und ein paar Frauen) haben fast alle Zuwanderungsgeschichte. Viele können arabisch. Sie sind nett und freundlich zu den Gästen und zu uns. Ich vermute, die Security-Firmen stellen gerade viele Leute ein. Unter den Ehrenamtlichen sind auch viele Zuwanderer. In der Kundenbetreuung, beim Übersetzen. Im Speisesaal fragt mich der nette arabisch-kundige Helfer, was eigentlich der Unterschied zwischen ‚freiwillig‘ und ‚ehrenamtlich‘ sei. Das habe er noch nicht richtig verstanden. Ist dasselbe. Alles ohne Geld.
Nach dem Frühstück kommt die Reinigungskolonne und wischt wieder die Böden. Ein oder zwei möchten schnell einen kleinen Kaffee. Gern. Es sind ältere Frauen mit Migrationshintergrund, die sicher schon lange hier leben, aber wohl nicht berufstätig waren. Denn sie sprechen Deutsch nur rudimentär. Sie haben jetzt einen Job! Ich freue mich, dass der Mindestlohn durchgesetzt wurde. Den gibt es gewiss bei der großen Firma.
Ich gehe raus. Es kommen mir vier, fünf frische Freiwillige entgegen. Die nächste Schicht rückt an. Ein gutes Gefühl.
Bericht von Ulla Ohlms